Gewerbeschule

Aus Norder Stadtgeschichte
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Gewerbeschule

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Basisdaten
Entstehungszeit 1869 (1829)
Erbauer Stadt Norden
Bauweise Ziegelsteinbau u.a.
Entwidmung 1960
Erhaltungszustand 1960 abgebrochen
Genaue Lage Kleine Mühlenstraße 3

26506 Norden

Die Gewerbeschule war die erste ihrer Art im Königreich Hannover, zu dem Ostfriesland seinerzeit gehörte. Sie befand sich an der Kleinen Mühlenstraße. Das Gebäude wurde 1960 abgebrochen. Ihr Nachfolger ist die Conerus-Schule an der Schulstraße. Neben allgemeinen gewerblichen Berufen befand sich auch eine Haushaltungsschule für Mädchen und junge Frauen in den Räumen der Gewerbeschule.

Heute erinnert praktisch nichts mehr an die alte Gewerbeschule an der Mühlenstraße. Lediglich ein kleines Transformatorenhäuschen der Norder Stadtwerke im rückwärtigen, westlichen Bereich des ehemaligen Schulhofs trägt noch die Bezeichnung Schulhof Nr. 2.

Geschichte

Auf Veranlassung und durch persönliche Förderung von Peter Friedrich Conerus, damals Bürgermeister der Stadt Norden, wurde 1829 eine erste Gewerbeschule an der (nach heutiger Nummerierung) Kleinen Mühlenstraße 3 eröffnet.[1] Dieser hatte bereits 1819 in einem Schreiben an die Provinzialregierung in Aurich beklagt, dass die Lehrlinge kaum ausreichend Schreiben, Rechnen und Lesen können. Er forderte deshalb die eine Weiterbildung für die gewerbliche Jugend in Norden.[2]

Diese Pläne nahmen 1829 anlässlich einer Tagung der Allgemeinen Ständeversammlung in Hannover, an der er als Abgeordnete der Stadt Norden teilnahm, konkrete Formen an. Er holte dort beim Königlichen Ministerium (Ostfriesland gehörte damals zum Königreich Hannover) die Genehmigung des zuständigen Ministers ein. Nachdem auch die Genehmigung der Landdrostei in Aurich vorlag, machte sich Conerus an die Umsetzung. Als Bürgermeister unterhielt er zahlreiche Kontakte zu einflussreichen Norder Persönlichkeiten, die er für den ehrenamtlichen Unterricht gewinnen konnte. Am 13. September 1829 eröffnete damit Nordens erste Gewerbeschule mit zunächst 72 Schülern.[1]

Zunächst wurde die Theelkammer als Schulraum genutzt. Für den Unterricht in Schönschreiben, Orthografie, Sprachkunde, Zeichnen, Rechnen, Buchführung und Geografie zeichnete sich Anton Ernst Taaks, der Rektor des Ulrichsgymnasiums, verantwortlich. Die Gewerbetreibenden Egers und von Halem sowie der Volksschullehrer Adolph von Freeden unterstützten ihn dabei. Später kamen weitere Lehrkräfte, wie der Tischler Lorentz hinzu. Der Zeichenunterricht wurde von Lehrer Siltmann geleitet, ebenfalls vom Ulrichsgymnasium.[1]

Der Unterricht fand außerhalb der Arbeitszeit ausschließlich am Wochenende statt. Dieser dauerte für gewöhnlich von 18:00 bis 20:00 Uhr an Samstagen und an Sonntagen von 07:00 bis 09:00 Uhr (im Sommer) bzw. von 08:00 bis 10:00 Uhr (im Winter).[3]

Trotz des Mehrgewinns für das Norder Gewerbe wurde die neue Gewerbeschule nicht von allen Gewerbetreibenden gut angenommen. Durch den Wochenendunterricht konnten die Lehrlinge nicht mehr von ihren Meistern zu Arbeiten am Wochenende herangezogen werden. Insgesamt jedoch fand die Schule breite Anerkennung in der Allgemeinheit. Sogar das Parlament in Hannover belobigte sie und sah in ihr ein Vorbild für weitere, ähnliche Schulen im Königreich.[3]

Indes kam es häufiger zu Problemen bei der Unterrichtsgestaltung, da die Theelkammer nach Sitzungen durch die Theelacht oftmals verschmutzt war, sodass der Schulbetrieb hin und wieder in der Ludgerikirche stattfand.[3] Hier fanden auch die halbjährlichen, öffentlichen Prüfungen der Gewerbeschule statt.[4]

1835 wurde der Unterrichtsplan neu geordnet, auch die Wochenstunden wurde erhöht und auch an Werktagen fand abends Unterricht statt. Ab 1837 mussten die Schüler schließlich ein Schulgeld in Höhe von halbjährlich 12 1/2 Pfennig zahlen. Die Gebühren wurden nur den Bedürftigen erlassen. Nachdem die Schülerzahlen viele Jahre kontinuierlich stiegen, brachen sie in den 1850er Jahren ein, ehe sie zu Beginn der 1860er wieder eklatant stiegen. Auch das Lehrpersonal wurde größer. Auch Samuel Baruch Flersheimer unterrichte hier.[4]

Längst war auch die Theelkammer zu klein, die nur eine maximale Kapazität von etwa 80 Personen hatte. 1869 ließ die Stadt Norden daraufhin für 2.500 Reichstaler ein neues Gebäude an der Kleinen Mühlenstraße errichten, das ab 1873 auch die Klassen der Höheren Töchterschule aufnahm. Seit 1874 trug sie den Namen Gewerbliche Fortbildungsschule. Diese Doppelbelastung führte dazu, dass die Gewerbeschule 1887 in den Rummel im Alten Rathaus zog. Als 1912 die Gräfin-Theda-Schule in der Gartenstraße fertiggestellt wurde, zog die Gewerbeschule wieder zurück in die Mühlenstraße.[4]

Eine erneute Neuorganisation der Schule hatte vier Klassen zur Folge: Zwei für den allgemeinen Unterricht der Gewerbeschüler und eine für besonders begabte Schüler. Dazu kam eine gesonderte Klasse für Handelslehrlinge. Ab 1896 wurde die Handelsklasse von Harm Kaufmann unterrichtet, der zugleich erster hauptamtlicher Lehrer der Schule wurde.[4][5] Neben seminarisch fortgebildeten Volksschullehrer unterrichten auch weiterhin Gewerbetreibende an der Schule. Eine Praxis, die sich so ähnlich bis heute an den Berufsbildenden Schulen gehalten hat.[6]

Ab 1921 wurden auch Mädchen bzw. junge Frauen nach Beendigung ihrer regulären Schulausbildung zum Besuch einer Gewerbeschule verpflichtet.[7] Im selben Jahr zog die Förderschule bzw. Schule für Lernhilfe in einem Nebenraum im Gebäude ein und blieb hier bis zum Bau der Pestalozzischule im Jahre 1929.[8] Ab 1925 trug die Schule den Namen Städtische Berufsschule.[7] Noch in den 1920er Jahren war es üblich, dass die Schüler Schulmützen trugen, die unterschiedliche Bänder aufwiesen und jährlich wechselten.[9]

Die folgenden Jahrzehnte wurden von einer akuten Raumnot gezeichnet, die dazu führte, dass beispielsweise die hauswirtschaftliche Abteilung in ein separates Gebäude am Burggraben verlagert wurde. Nach Einrichtung einer zweijährigen Handelsschule zu Ostern 1929 und der Gründung einer einjährigen Haushaltungsschule im Jahr 1933 spitzte sich die Raumnot noch weiter zu. Endgültig überschritten wurde das Maximum der Kapazität, als 1937 zu den 690 noch zusätzliche 148 Jugendliche der aufgelösten Berufsschulklasse in Dornum, Hage und Marienhafe kamen. Anfang der 1930er Jahre begannen Planungen für einen Neubau, diese scheiterten jedoch an der Finanzierung, da im Rahmen der Kriegsvorbereitungen für den Zweiten Weltkrieg andere Projekte, insbesondere der Kasernenbau eine höhere Priorität genossen.[7]

Nachdem die Schülerzahlen während des Kriegs sanken, zogen sie nach Kriegsende wieder deutlich an. An unterschiedlichen Gebäuden, wie zum Beispiel am Jugendheim an der Klosterstraße, fand nun der Unterricht statt. Auch wurden Teile der Schule als Großküche für die notleidende Bevölkerung genutzt.[10] Erst 1954 wurde seitens der Behörden der Beschluss für einen Neubau gefasst. Berufsschuldirektor Conrad Heeren fasste 1955 zusammen, dass nun "zum dritten Male die Hoffnung" besteht, dass "dem Berufsschulwesen in Norden endlich eine würdige Schule gebaut wird, die als Bildungsstätte für die gesamte werktätige Jugend dienen kann." Doch erst fünf Jahre später begann der Bau, das alte Schulgebäude an der Kleinen Mühlenstraße wurde im selben Jahr abgebrochen.[7]

Schülerzahlen

Schuljahr Anzahl
1829 72
1832 50
1835 75
1840 75
1842 80
1847 80
1848 108
1849 112
1850 90
1855 62
1857 53
1858 - 1859 37
1859 - 1860 107
1862 - 1863 99
1864 - 1865 116
1865 - 1866 110
1937 838

Galerie

Literatur

  • Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 76-84

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 76
  2. StAA, Rep. 6, 5684
  3. 3,0 3,1 3,2 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 77
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 78
  5. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 79
  6. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 80
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 81
  8. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 140
  9. Canzler, Gerhard (2005): Die Norder Schulen, Weener, S. 108
  10. Haddinga, Johann (1988): Stunde Null. Ostfrieslands schwerste Jahre, Norden, S. 86

Siehe auch